Was haben das Southside, Rock am Ring, Sziget, Benicàssim und das Primavera gemein? Es sind alles große Musik Festivals und es sind alles Festivals, die wir bereits besucht haben.
Ja, wir lieben die Power und den Glamour der ganz großen Festivals und mit fortgeschrittener Erfahrung und Weisheit auch die Sonne südlichere Gefilde. Denn schwebt bei deutschen Großveranstaltungen stets das Damokles Schwert mit Namen “Regen, Sturm, Gewitter und Matsch” über dem unbeschwerten Festivalerlebnis, können südlichere Länder ein stabileres Sommerwetter bieten – auch in Zeiten des Klimawandels.
In Portugal gibt es bekanntermaßen recht viel Sonne, ziemlich coole Leute, günstige Preise und einige richtig große, bedeutende Musikfestivals. Eines davon ist das seit 12 Jahren in Lissabon stattfindende Nos Alive.
NOS Alive 2018
Ein Festival in Lissabon? Das muss rocken! Denn Lissabon ist eine sehr junge, coole aber (noch) nicht(total) hippsterig abgehobende City. Die Portugiesen haben Stil, sind unendlich kreativ und sie lieben Rock. Während bei uns die großen Festivals von deutsch Hip-Hop und Elektro geentert werden, findet sich hier eine gute Mischung aus unterschiedlichen Stilrichtungen die grob mit Rock/Pop betitelt werden kann – was uns geschmacklich näher ist.
Die endgültige Entscheidung in diesem Jahr das Nos Alive auszuchecken, fiel allerdings beim betrachten des Line-Ups des Vorjahres:
Queens of the Stone Age, Nine Inch Nails und …. Pearl Jam? WTF? Das ist großes Kino.
I’m on Fyre!
Was Festivaltickets angeht sind wir richtige Early Birds. Was ich damit meine? Wir schenken den Festival-Machern unser Vertrauen, dass sie ein ähnlich gutes Line-Up wie im Vorjahr hinbekommen und kaufen die Karten, bevor auch nur eine Band bekannt gegeben wurde. Mit den meiste angebotenen Frühbucherrabatten sparen wir so schon mal ein paar Euronen.
Blöd nur, wenn bis drei Monate vor Festivalstart nur ein großer Headliner steht und der Rest ehr so lala, nett, nett ist. Die Tickets sind gekauft, Hotel und Flug gebucht. So erging es uns mit dem 2019er Line-up des Nos Alive.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Der Festivaltermin rückte näher und wir surften fast täglich die Facebook-Seiten des Nos Alive ab, um den erwarteten, letzten (Knaller-)Headliner announced zu bekommen.
Als es schließlich drei Tage vor Festivalstart waren, kein Timetable auf der Website zu finden war und wir nicht einmal herausbekamen, ab wann das Festivalgelände geöffnet sein wird, stieg die Sorge, dass das Nos Alive 2019 gefyred worden sei.
Diese Sorge war dann doch unbegründet. Und wie war nun das Nos Alive 2019 in Lissabon?
Bühnen & Ton
Die größte Bühne war die Nos. Vor der Nos sind dann auch Die Größe der Bühne entspricht der Green Stage auf dem Southside. Der Ton war immer hervorragend.
Die nächst größere Bühne war die Sagres Stage, welche uns leider nicht so zusagte. Die Bühne ist sonst eine Halle und wird für das Festival an den Seiten geöffnet. Der Ton ist außerhalb des Dachs nicht besonders gut und für die dort an den Start gehenden Acts, war die Bühne auch einfach zu klein, weswegen Abends immer Überfüllung herrschte Nos Alive zwischen Sagres und Clubbing Stage
Die kleinste Bühne “Coreto” hat mich total verzaubert. Hübsch dekoriert kam sie wie die Bühne eines kleinen, reisenden Zirkus daher. Hier konnten die Festivalbesucher Nachwuchsband entdecken.
Die Clubbing Stage war den Djs vorenthalten. Das Fado Cafe befand sich etwas abseits in einem Gebäude und stimmungsvoll gestaltet. Die Comedy Stage bietet Interessierten wohl etwas Abwechslung von der Live-Musik.
Ist nicht so unser Fall daher waren wir nicht einmal dort zu finden. 🙂
Das Nos Alive bietet mit drei “richtigen” Musikbühnen weniger als erwartet. Wir fühlten uns dennoch gut unterhalten.
Nos Alive – das Gelände
Für mich eine der größten Kritikpunkte. Das Gelände ist klein, sehr klein. Eigentlich bin ich ein großer Fan kurzer Wege. Beim Nos Alive führte der mangelnde Platz allerdings zu Engpässen, in denen mehr geschoben als gelaufen wurde. Die Bühnen sind so nah beinander, dass die Musik sich teilweise gegenseitig störte. Dennoch haben wir bei den großen Acts immer einen guten Platz ergattern können und es herrschte vor der Bühne wenig Gedrängel. Das war sicherlich dem absolut friedlichen, unendlich gut gelaunten Publikum geschuldet. Die Portugiesen sind einfach entspannte, höfliche Menschen.
Ansonsten gab es alles, was man bei einem typischen Festival erwartet: viele Essenstände, ein paar Unternehmen mit Marketingangeboten, ein paar richtige Läden mit Kleidung und Kleinkram.
Essen & Trinken
Wer sich aus Deutschland hinaus bewegt, wird oftmals feststellen, dass in anderen Ländern noch ganz andere Einstellungen zu Essen, Trinken, Recycling etc. herrschen. So auch auf dem Nos Alive. Waren wir erst extrem begeistert von der Anzahl an Essensständen, wich dem doch bald Ernüchterung. Eigentlich gab es nur 5 – 7 unterschiedliche Inhaber, die aber an verschiedenen Ecken des Festivals Verkaufsstände aufgebaut hatten. Die Essensauswahl war dementsprechend gering, die Qualität fast immer auf frittiertes und fleischhaltiges Fast Food reduziert.
Ab dem zweiten Tag aßen wir daher lieber in Lissabon und beschränkten uns auf dem Gelände auf Snacks.
Zu Trinken gab es das gute Superbock für Alex und für mich Wein – sofern ich die Nerven für lange Schlangen aufbrachte. Denn Wein in der RushHour zwischen 21 – 24 Uhr zu kaufen, nahm gerne mal 30 Minuten in Anspruch. Übrigens auch auf Bier mussten wir teilweise sehr lange warten. An dieser Stelle war die Organisation unterirdisch:
-Zapfhähne waren nicht besetzt
-im Verkauf standen Leute herum, ohne etwas zu tun
-man konnte Kleinstbeträge mit Kredit- oder EC-Karte zahlen – was auch einige taten
Nos Alive Preise
Ich habe es schon erwähnt. Für uns war das Nos Alive preiswert. Das Festival-Ticket liegt bei rund 160 EUR für drei Tage. Für ca. 2 EUR kann man eine Fahrt mit der Bahn von der Innenstadt aus zum Fetivalgelände bekommen, Getränke liegen bei 3 – 7 EUR. Das ist für portugiesische Verhältnisse teuer und stach damit etwas heraus, blieb für uns aber im ganz normalen Bereich.
Wer von Deutschland aus nach Lissabon anreist, kann tolle Hostels wie das Lissbon Old Town bereits ab 50 EUR im Doppelzimmer mit Frühstück buchen. Die günstigsten Flüge findest du übrigens über Skyexplorer – momentan meine Lieblinsflugsuchmachine.
Klar, es läppert sich immer. Dennoch ist Lissabon weiterhin eine der günstigen Städte Europas.
Nos Alive ein Major-Festival?
Das Festival lief wie erwartet ab, Pannen haben wir nicht miterlebt. Von daher kann man zu der Organisation sagen: läuft.
Und natürlich gab es einiges, was uns begeisterte: The Cure war ein absolut perfektes Highlight. Der ´Ton war nach drei, vier Liedern exzellent und die Stimmung fantastisch. Es gab viele kostenfreie Angebote von Unternehmen: Schminken, Haare stylen, Airbrush-Tattoos, die kleine Newcomerband-Bühne – toll!
Dennoch gibt es an einigen, wenn nicht vielen Ecken Verbesserungsbedarf, den wir von anderen Festivals so gar nicht mehr kannten.
Toilettensituation
Beispielsweise der unvermeidbare Toilettengang wurde später am Abend zum Spießrutenlauf. Es gab lediglich einen großen, ungefähr in der Mitte des Festivalgeländes angesiedelten Toilettenbereich. Dieser füllte sich
in der Toiletten-Rush-Hour so stark, dass der Eingang von der Security kurzzeitig gesperrt werden musste. Klar, nicht jeder kann immer und überall gleich dran kommen. Allerdings besaß der Bereich auch nur einen Eingang, der zugleich als Ausgang diente. Das Geschiebe war zeitweise nix für Klaustrophobiker. Das ganz große Gedränge rund um den Eingang liese sich durch mehrere verteilte Toilettenbereiche und ein paar zusätzliche Dixies am Wegesrand deutlich entzerren.
Öffentlicher Nahverkehr zum Gelände
Auch beim Transport lief nicht alles so glatt, wie gedacht. Das Festivalgelände liegt ca. 11 Kilometer vom Lissabonner Stadtkern entfernt, ist aber sehr gut mit Öffentlichen Nahverkehrsmitteln erreichbar.
Wir entschieden uns, dass mit dem Festivalticket angebotene ein 3-Tages-Ticket für den Öffentlichen Nahverkehr zu kaufen. Das Nahverkehrsticket galt dann allerdings nicht für das gesamte Lissabonner Stadtgebiet sondern nur für die Bahnstrecke zum Festivalgelände und war dafür viel zu teuer.
Wer Lissabon kennt, weiß, dass Züge und U-Bahn mit Durchgangssperren gesichert sind, die mit einer aufladbaren Karte passiert werden können. Mit unserer super teuren Festival-Fahrkarte konnten wir diese Sperren nicht selbst passieren. Wir mussten das Ticket einem Security vorzeigen, der uns den Durchgang für Rollstuhlfahrer, Kinderwägen etc. aufschloss. Nicht nur umständlich sondern ärgerlich, wenn man Mittags fahren will und weit und breit kein Security vor Ort ist…
Am ersten Abend bekamen wir dann noch ein LoveParade Feeling. Nach dem letzen Act strömten die Menschenmengen in Richtung Bahngleis -hinein in eine von zwei Seiten begehbare Unterführung. Klar, in der Mitte trifft sich alles und es wird eng, verdammt eng. Im Gänsemarsch dann Richtung Bahngleis und einfach gehofft, dass alle nett sind und nix passiert. Beim Blick über die Schulter sah ich dann, dass die Polizei inzwischen eine Seite der Unterführung sperrte. Die nächsten Tagen blieb es bei der Sperrung – Gott sei Dank!
Nos Alive – Nix für Frühaufsteher
Im Süden Europas kann es es ja ganz schön heiß werden. Das ist kein subjektives Gefühl weißer Mitteleuropäer. Auch die Portugiesen empfinden das wohl so. Zumindest wurde das Nos Alive eher in die Abend-/Nachtstunden gelegt, wo die Temperaturen deutlich abkühlen.
Wer sich am frühen Abend aufs Gelände begibt, um bei untergehender Sonne sein Abendessen zu snacken, hat noch das ganze Festival vor sich. Denn Headliner Time ist erst ab 12 Uhr – Nachts.
Packt euch für das Nos Alive unbedingt auch warme Sachen ein: Pulli, lange Hose, Jacke. Nachts kann es sehr kühl werden, zudem herrscht an der Küste immer etwas feuchter Wind.
Wir gewöhnten uns überraschend schnell an den neuen Tagesablauf: Morgens aufstehen, frühstücken (im Hotel bis 10 Uhr). Dann ne Runde Lissabon anschauen und nochmal eine Runde schlafen und am späten Nachmittag/frühen Abend Richtung Nos Alive aufmachen.
DER Instagram-Spot des Nos Alive: die “Wasserstelle”
Es ist also nicht so heiß auf dem Nos Alive. Was wir dennoch nicht erwartet hätten: es gab keine Wasserstellen. No free Water für die Festivalgänger – auch nicht an den Toiletten, äh, stimmt ja gar nicht. Am zweiten Abend haben wir sie dann doch entdeckt. Etwas versteckt aber dafür Instagrammable: der Wasserhahn – nur für eingeweihte und aufmerksame Besucher.
Allgemein erinnert die Organisation des Festivals an Großveranstaltungen voriger Zeiten:
-kein abgesperrter Bereich vor der Bühne, nur ein Wellenbrecher in der Mitte
-kein schnelles Bezahlsystem mit aufladbarer Karte, Bändchen, Festivalgeld.
-kein echtes Pfandsystem
-no Infos auf der Website
-Niemand weiß so richtig Bescheid wo man was wie macht
Das Nos Alive 2019 – mein Fazit
Muss man vielleicht auch nicht alles haben, wir kennen es aber von anderen großen Festivals. Das Nos Alive sein Geld wert? Ja!
Allgemein sind die Preise günstig. Man bekommt tolle Bands, in einer der schönsten Städte Europas bei einem super angenehmen, gemischten Publikum: Hier schauen Influencer genauso vorbei wie Familien mit Kindern. Top!
Ist das Nos Alive ein Major Festival? Wir sagen: Nein. Dazu fehlt es an Platz, moderner Organisation und Besonderheit bei der Darbietung des Angebots.
Noch mehr Fragen? Ab damit in die Kommentare!